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Antworten von der SPD auf die Wahlprüfsteine des bvdm anlässlich der Bundestagswahl 2021

1. Deutschland gehört zu den OECD-Staaten mit den höchsten Unternehmenssteuern und Sozialabgaben. Dies senkt die Wettbewerbsfähigkeit; insbesondere von KMU. Wie planen Sie angesichts des hohen Post-Corona-Investitionsbedarfs KMU zu entlasten und dabei die Sozialversicherung leistungsfähig zu halten?

Umfangreiche staatliche Hilfen haben dazu beigetragen, dass Unternehmen die Corona-Krise überstanden haben. Nach dem Ende der Pandemie können die Unternehmen deshalb nicht aus ihrer Verantwortung für die Finanzierung der Krisenlasten entlassen werden. Eine allgemeine Absenkung der Unternehmenssteuern kann es nicht geben. Allerdings werden wir die Einkommenssteuer für kleine und mittlere Einkommen senken - so dass 95 Prozent davon profitieren. Das nützt auch kleinen und mittelständischen Unternehmen. Die Wettbewerbsfähigkeit werden wir darüber hinaus durch eine Modernisierung des Steuerrechts sichern. Dazu werden wir etwa die neu eingeführte steuerliche Forschungs-förderung sowie die verbesserten Abschreibungsbedingungen evaluieren und bei Bedarf weiterentwickeln.

2. Wie wollen Sie den für die digitale Transformation erforderlichen flächendeckenden Breitbandzugang forcieren und sich dafür einsetzen, dass Datenübermittlungen in die USA nach dem Aus des „Privacy Shield“ wieder in praktikabler Weise rechtssicher möglich sind?

Wir haben in dieser Wahlperiode 12 Mrd. Euro investiert und wichtige Weichenstellungen und Zwischenschritte beim Aufbau von Gigabitnetzen erreichen können. Die Ausbauförderung werden wir fortsetzen und die Versorgung aller Haushalte und Unternehmen mit einer Bandbreite von mind. einem Gigabit pro Sekunde garantieren – durch konkrete, gesetzlich festgelegte Ausbau- und Versorgungsverpflichtungen und entsprechende Zwischenziele. Der EuGH hat mit seiner Entscheidung zum „Privacy Shield“ einen klareren Rahmen für den internationalen Datenverkehr mit der Europäischen Union geschaffen. Gegenwärtig verhandeln EU-Kommission und US-Administration über eine Weiterentwicklung des Rechtsrahmens für eine Garantie des Schutzes personenbezogener Daten. Unser Ziel ist, dass EU und USA einen vollständigen und wirksamen Rahmen schaffen, der gewährleistet, dass das Schutzniveau in den USA im Einklang mit dem Urteil dem in der EU garantierten Niveau der Sache nach gleichwertig ist. Wir wollen diese Verhandlungen unterstützen und intensivieren, denn ein sicherer, wirksamer Rechtsrahmen ist unerlässlich für den transatlantischen Datenaustausch."

3. Inwieweit werden Sie sich gegen Beschränkungen und Verbote von Werbung für legale Produkte und gegen eine Umstellung des seit Jahrzehnten bewährten Systems der Briefkastenwerbung (Opt-out zu Opt-in) einsetzen?

Dass ein Produkt legal hergestellt und in den Handel gebracht werden darf, bedeutet noch nicht, dass es auch in jedem Fall unbegrenzt beworben werden darf. Der Schutz, etwa von Kindern, kann ein vorrangiges Ziel für die Politik sein und uns zum Handeln auffordern. Daher setzen wir uns beispielsweise dafür ein, an Kinder gerichtete Werbung in Kita und Schule, im Umfeld von Kindersendungen im Fernsehen oder bei ungesunden Lebensmitteln wie Süßigkeiten oder Softdrinks zu regulieren. Was die Briefkastenwerbung anbelangt, ist leider festzustellen, dass die bisherigen Aufkleber („keine Werbung“) von den Werbetreibenden nicht durchgängig beachtet werden. Gleichzeitig erscheint es in der Praxis vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern zu lästig, mit Unterlassungsverfügungen gegen den jeweiligen Werbetreibenden vorzugehen. Auch aus ökologischer Sicht ist diese Form von Werbung problematisch. Wir sehen die Interessen unterschiedlichster Akteure wie Werbetreibender und der Werbewirtschaft. Nach Abwägung aller Aspekte und insbesondere im Hinblick darauf, dass auch ein großer Teil der legal in Briefkästen eingeworfenen Werbung unmittelbar und ungelesen entsorgt wird, befürworten wir aber die Umstellung auf ein Opt-in-System.

4. Berichtspflichten, EU-Taxonomie und aufwändiges Vergaberecht belasten KMU zunehmend. Wie wollen Sie dafür sorgen, dass durch immer komplexer werdende Nachhaltigkeitsanforderungen insbesondere KMU nicht abgehängt werden? 

Wir werden – wie bereits in dieser Legislaturperiode von uns vorgeschlagen – das Abgaben- und Umlagesystem in der den Umwelt- und Energiebereich betreffenden Gesetzgebung novellieren. Ziel ist es, die nationale Gesetzgebung an die fortgeschrittene Energiewende und den Klimaschutz vor dem Hintergrund der europäischen Gesetzgebung anzupassen. Das heißt für uns auch, sich doppelnde oder gar widersprechende Anforderungen und Berichtspflichten abzubauen. Da das Vergaberecht auf bestehendem Recht aufbaut, wird seine Komplexität in dem Maße abnehmen, wie Sozial- und Umweltstandards umfassend formuliert sind. Zusammen mit den Bundesländern werden wir über eine Reform des Planungsrechts Genehmigungsverfahren verkürzen, ohne demokratische Beteiligungsverfahren einzuschränken. Je klarer die Zielformulierungen, desto mehr Spielraum werden auch kleine- und mittlere Unternehmen im Hinblick auf Maßnahmen zur Zielerreichung haben.

5. Wie wollen Sie die derzeitigen rechtlichen und bürokratischen Hürden in der Eigenenergieerzeugung abbauen, um die dezentrale Energieversorgung zu fördern und den rentablen und einfachen Betrieb von Eigenstromversorgungsanlagen für KMU zu gewährleisten?

Wir haben den solaren Eigenverbrauch bei PV-Anlagen bis zu 30 kWp vollständig von der EEG-Umlage freigestellt. Für den Mieterstrom wurde erstmalig ein Quartiersansatz verankert. Diese Ansätze wollen wir ausbauen, in dem wir schrittweise die EEG-Umlage bis 2025 abschaffen. Damit werden auch Energiegemeinschaften mit größeren Anlagen von der EEG-Umlage befreit, ohne dass die Nutzung eigenerzeugten Stroms zulasten der Verbraucher insgesamt geht. Ebenso würde auch die Einbeziehung von Energiedienstleistern erweitert werden. Um die Netzstabilität zu gewährleisten, wird die Sichtbarkeit und Fernsteuerbarkeit von erneuerbare Energieanlagen für den Verteilnetzbetreiber zunehmend wichtiger. Wir werden die Smart Meter-Plicht in ein angemessenes wirtschaftliches Verhältnis stellen.

6. Flexiblere Arbeitszeitregelungen, befristete Arbeitsverhältnisse und Tarifautonomie sind zentral, um Beschäftigung aufzubauen und zu sichern. Wie wollen Sie Gestaltungsspielräume der Tarifpartner stärken und den Rahmen für flexible Arbeit gestalten?

Die Stärkung der Tarifbindung und Ausbau der Mitbestimmung sind seit jeher wichtigen Anliegen der SPD. Tarifverträge bieten für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein Mehr an Schutz, für Arbeitgeber bieten sie Planungssicherheit. Der Rückgang der Durchsetzungskraft von Flächentarifverträgen sowie der Rückgang der Tarifbindung insgesamt, ist Folge verschiedener Phänomene: So ist ein Trend weg vom Flächentarifvertrag und hin zu Firmentarifverträgen festzustellen. Neben dem vollständigen Austritt aus dem Verband besteht daneben in manchen Branchen ein Trend zur Mitgliedschaft des Arbeitgebers im Arbeitgeberverband ohne Tarifbindung, d. h. ohne zugleich Tarifvertragspartei zu sein. Außerdem wird zum Teil durch Auf-/ Abspaltung von Betrieben /Betriebsteilen versucht, die Geltung von Tarifverträgen abzuwenden. Wir schaffen moderne Arbeitnehmerrechte für eine neue Zeit, dazu gehört ein Recht auf Home-Office und ein Zeitkonto für alle Beschäftigten. Wir werden die Tarifbindung ausbauen - u.a. durch die Einführung eines Bundestariftreuegesetzes für öffentliche Aufträge von Bund, Ländern und Kommunen für Bau- und Dienstleistungen.

7. Seit Jahren besteht bundesweit das Problem, dass Unternehmen immer weniger ausreichend qualifizierte Schulabgänger für die Berufsausbildung finden. Wohlwissend, dass Schulbildung Ländersache ist, was planen Sie, um sie auf das Niveau der Unternehmensanforderungen auszurichten?

Die SPD arbeitet im Bund und in den Ländern an einem starken Schulsystem, das alle Kinder bestmöglich fördert und auch einen guten Übergang von der Schule in den Beruf ermöglicht. So wollen wir weiter in die digitale Ausstattung der Schulen von Bundesseite investieren und die Sanierung der Schulgebäude vorantreiben. Gleichzeitig wollen wir in die Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte investieren und die Entwicklung datenschutzkonformer intelligenter Lehr- und Lernsoftware unterstützen. Unser Ziel ist es, die Lehr- und Lernprozesse zu individualisieren, Schüler*innen bestmöglich zu fördern und die Binnendifferenzierung im (digitalen) Unterricht zu verbessern. Darüber hinaus wollen wir mit gezielten Impulsen zur Fachkräftesicherung die Länder beim weiteren Ausbau von Kitas, Ganztagsbetreuung an Schulen und Jugendeinrichtungen unterstützen. Durch ein Bundesprogramm für Schulsozialarbeit wollen wir zudem den Kommunen Mittel zur Förderung von Chancenhelfern an jeder Schule bereitgestellt. Jugendliche, die Startschwierigkeiten in das Berufsleben haben, brauchen oftmals auch eigene Instrumente wie berufsvorbereitende Maßnahmen oder Einstiegsqualifizierung. Die Zahl dieser Plätze sollten ausgebaut werden; gerade in Zeiten der Pandemie waren diese rückläufig.

8. Ausufernde bürokratische Vorschriften belasten vor allem KMU. Welche Maßnahmen planen Sie zum Abbau von bürokratischen Hürden; insbesondere zur Reduzierung der umfangreichen statistischen, datenschutzrechtlichen und arbeitsrechtlichen Auskunfts- und Dokumentationspflichten? 

Gegen die Forderung unnötige Bürokratie abzubauen, ist im Prinzip nichts einzuwenden. Problematisch an der geführten Debatte um den Bürokratieabbau ist aber, dass nicht zwischen unnötiger Bürokratie und sinnvoller Regulierung – etwa zur Umsetzung der in Art. 20 GG festgelegten Staatsziele der Bundesrepublik – differenziert wird. Ein hochentwickelter Rechtsstaat wie Deutschland braucht eine gute und gut funktionierende Bürokratie und eine Wertschätzung der Beschäftigten, die mit ihrem Vollzug betraut sind. Insbesondere darf nicht in Frage gestellt werden, dass Gesetze kontrollierbar und bei Verstößen sanktionierbar sein müssen. Die Annahme, Bürokratie bzw. ihre dadurch entstehenden Kosten würden kleine und mittlere Unternehmen besonders belasten und ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Dynamik beeinträchtigen, trifft aus unserer Sicht so pauschal nicht zu. Dennoch sehen wir an manchen Stellen Handlungsbedarf: Um mehr Unternehmensgründungen anzuregen und mittelständischen Unternehmen eine sinnvolle Nachfolgeplanung zu ermöglichen, setzen wir auf drei Kernpunkte: Organisatorische Unterstützung wie One-Stop-Agenturen für Gründer*innen, erleichterter Zugang zu Kapital durch Projektförderung sowie öffentliche Fonds für Wagniskapital und eine “Kultur der zweiten Chance”, auch im Insolvenzrecht. Existenzgründungen von Frauen und in der Fläche werden wir mit eigenen Programmen gezielt fördern. Aus unserer Sicht profitieren KMU auch von den von uns geplanten Investitionen der öffentlichen Hand in wichtige Zukunftsfelder: Wir werden das in dieser Legislaturperiode von uns durchgesetzte, hohe Investitionsniveau des Bundes mit mindestens 50 Milliarden Euro pro Jahr weiter fortsetzen und zudem dazu beitragen, dass sich alle staatlichen Ebenen mit großer Investitionskraft beteiligen. Wir werden die Unterstützung von strukturschwachen Regionen durch die Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (GRW) verstetigen.

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