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Antworten von Die Linke auf die Wahlprüfsteine des bvdm anlässlich der Bundestagswahl 2021

1. Deutschland gehört zu den OECD-Staaten mit den höchsten Unternehmenssteuern und Sozialabgaben. Dies senkt die Wettbewerbsfähigkeit; insbesondere von KMU. Wie planen Sie angesichts des hohen Post-Corona-Investitionsbedarfs KMU zu entlasten und dabei die Sozialversicherung leistungsfähig zu halten?

Die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands ist vor allem durch unzureichende öffentliche Investitionen gefährdet. Aktuelle Studien weisen zudem nach, dass höhere Unternehmensgewinne durch Steuersenkungen nicht die Investitionen der Unternehmen vermehren, sondern die Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen erhöhen. Für die Investitionskraft sind gute Einkommensperspektiven für die große Mehrzahl der Bevölkerung und massive Zukunftsinvestitionen der öffentlichen Hand wichtig. So entsteht die Nachfrage, von der vor allem die KMU profitieren. DIE LINKE will bei der Einkommensbesteuerung niedrige und mittlere Einkommen entlasten, hohe Einkommen dagegen belasten. Als Faustregel gilt: Wer als Single weniger als 6.500 Euro Bruttoeinkommen im Monat hat, zahlt nach unserem Tarif weniger Steuern. Für Kapitalgesellschaften wollen wir den Satz der Körperschaftsteuer wieder auf 25 Prozent anheben. Megakonzerne wie Amazon und Co. sollen stärker am Ort ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten und der Umsätze besteuert werden.

2. Wie wollen Sie den für die digitale Transformation erforderlichen flächendeckenden Breitbandzugang forcieren und sich dafür einsetzen, dass Datenübermittlungen in die USA nach dem Aus des "Privacy Shield" wieder in praktikabler Weise rechtssicher möglich sind?

DIE LINKE setzt sich für einen raschen, flächendeckenden Glasfaserausbau bis 2030 ein. Dafür wollen wir den Ausbau mit 10 Milliarden Euro jährlich fördern. Staatlich finanzierte Glasfasernetze sollen dabei genossenschaftlich betrieben werden und/oder als ein Netz in öffentlichem Eigentum, das diskriminierungsfrei (Open Access) von verschiedenen Internetdiensteanbietern auch gleichzeitig gemietet werden kann. Um die Privatsphäre der Menschen wirksam schützen zu können, braucht es klare Regeln: die Möglichkeit zur Nutzung von Diensten im Internet darf nicht an eine Einwilligung in die Datenerhebung oder -weitergabe gekoppelt sein. Geräte mit der Möglichkeit, Daten ins Netz oder an Anbieter zu übertragen, müssen werksseitig die höchsten Datenschutzeinstellungen haben. Datenhoheit muss über eine umfassende Möglichkeit der "Mitnahme" von Daten von einem sozialen Netzwerk zu einem anderen gesichert werden. Einsichtsrechte Betroffener müssen umfassend rechtlich geregelt und auch durchsetzbar sein. Nutzer müssen jederzeit erfahren können, wo ihre Daten gespeichert sind, wie sie verarbeitet und an wen sie weitergegeben werden und wie diese weitergeben werden sollen. Die unabhängige Datenschutzaufsicht durch die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern muss personell verstärkt werden und die Möglichkeit zur Beratung für Unternehmen und für die Bürgerinnen und Bürger ausgebaut. Software und Anwendungen, die datenschutzsparsam sind, sollten im Rahmen der Förderung von Open-Source-Software öffentlich gefördert werden.

3. Inwieweit werden Sie sich gegen Beschränkungen und Verbote von Werbung für legale Produkte und gegen eine Umstellung des seit Jahrzehnten bewährten Systems der Briefkastenwerbung (Opt-out zu Opt-in) einsetzen?

Unsinnige und schädliche Werbung sollte eingedämmt werden. Werbung und Sponsoring für Tabak- und Alkoholprodukte in der Öffentlichkeit will DIE LINKE verbieten. Sofort fordern wir ein Verbot von Werbung in Schulen und Kitas. Ebenso muss unlautere Telefonwerbung unterbunden werden. Telefonisch abgeschlossene Verträge dürfen erst wirksam werden, wenn Verbraucher*innen den Vertrag schriftlich bestätigen. Wir lehnen Werbung der Bundeswehr an Jobcentern, Schulen und Hochschulen ab.

4. Berichtspflichten, EU-Taxonomie und aufwändiges Vergaberecht belasten KMU zunehmend. Wie wollen Sie dafür sorgen, dass durch immer komplexer werdende Nachhaltigkeitsanforderungen insbesondere KMU nicht abgehängt werden?

DIE LINKE fordert verbindliche soziale und ökologische Vorgaben für die Beschaffungspolitik öffentlicher Einrichtungen: gute Arbeit, Tarifverträge, Regionalität, klare Definition und strikte Einhaltung umweltrelevanter Produkt- und Produktionsqualitäten. Wir wollen den Entscheidungsspielraum der Verwaltungen erhöhen, damit Firmen, die in der Vergangenheit Regeln verletzten, von Vergabeverfahren ausgeschlossen werden können. Auf diese Weise werden die verantwortungsbewusst und gut arbeitenden Unternehmen dauerhaft gestärkt.

5. Wie wollen Sie die derzeitigen rechtlichen und bürokratischen Hürden in der Eigenenergieerzeugung abbauen, um die dezentrale Energieversorgung zu fördern und den rentablen und einfachen Betrieb von Eigenstromversorgungsanlagen für KMU zu gewährleisten?

Umlagen und Abgaben für den Eigen- oder Direktverbrauch dürfen aus sozialer Sicht nur in dem Umfang abgebaut werden, wie sie nicht zu zusätzlichen Belastungen anderer Verbraucher*innen führen. Da nach der letzten EEG-Novelle der Eigenverbrauch bis zu 30 kWp PV-Anlagenleistung von der EEG-Umlage komplett freigestellt wurde, existieren aus unserer Sicht auch keine Hürden mehr für kleine und mittlere Eigenstromversorgungsanlagen. Wollte man auch noch größere Anlagen der Wirtschaft befreien, müssten privaten Haushalten erhebliche Teile der EEG-Refinanzierung zusätzlich stemmen. Dem können wir aus sozialer Sicht nicht zustimmen.

6. Flexiblere Arbeitszeitregelungen, befristete Arbeitsverhältnisse und Tarifautonomie sind zentral, um Beschäftigung aufzubauen und zu sichern. Wie wollen Sie Gestaltungsspielräume der Tarifpartner stärken und den Rahmen für flexible Arbeit gestalten?

DIE LINKE. wendet sich entschieden gegen jede weitere Flexibilisierung der Arbeit, die auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird. Vielmehr wollen wir sachgrundlose Befristungen verbieten und Sachgründe beschränken. Ausweitungen von Arbeitszeiten und dem Ende einer täglichen Höchstarbeitszeit erteilen wir eine Absage und wollen stattdessen die wöchentliche Höchstarbeitszeit auf 40 Stunden reduzieren sowie eine komplette Erfassung der Arbeitszeit. Wir sprechen uns genauso entschieden gegen tarifliche Öffnungsklauseln aus, denn damit wird aus "Besser mit Tarif" "Schlechter mit Tarif". Unser Ziel ist es, die Organisationsmacht der Gewerkschaften zu stärken. Dafür muss prekäre Arbeit zurückgedrängt werden. Außerdem ist die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen zu erleichtern und über ein Tariftreuegesetz auf Bundesebene ist sicherzustellen, dass öffentliche Aufträge nur noch an Unternehmen vergeben werden sollen, die Tariflöhne zahlen. Auch soll Tarifflucht erschwert werden, z.B. über ein Verbot von OT-Mitgliedschaften in Arbeitgeberverbänden.

7. Seit Jahren besteht bundesweit das Problem, dass Unternehmen immer weniger ausreichend qualifizierte Schulabgänger für die Berufsausbildung finden. Wohlwissend, dass Schulbildung Ländersache ist, was planen Sie, um sie auf das Niveau der Unternehmensanforderungen auszurichten?

Die Anforderungen an die Jugendlichen werden von vielen Betreiben immer höhergeschraubt. Leider geht es diesen oft darum, sofort einsetzbare Arbeitskräfte zu rekrutieren statt Jugendlichen eine umfassende Ausbildung zu bieten. Wir setzen uns dafür ein, für Auszubildende ebenso wie für Arbeitgeber:innen jene Unterstützungen zu gewährleisten, die allen einen erfolgreichen Berufsabschluss ermöglichen. Dazu gehören z. B. die assistierte Ausbildung, die ausbildungsbegleitenden Hilfen oder andere Leistungen für Jugendliche mit besonderen Förderbedarfen. Sie müssen künftig unbürokratisch und aus einer Hand gewährt und in das BBiG und die HWO verbindlich aufgenommen werden. Es muss möglich sein, auch eine theoriereduzierte Ausbildung zu absolvieren. Eine mögliche Verlängerung der Ausbildungszeit für Menschen, die mehr Zeit brauchen, um sich die entsprechenden Qualifikationen anzueignen, kann ins Auge gefasst werden. Wir sehen aber auch die Unternehmen in der Pflicht, nicht weiter eine "Bestenauslese" zu betreiben.

8. Ausufernde bürokratische Vorschriften belasten vor allem KMU. Welche Maßnahmen planen Sie zum Abbau von bürokratischen Hürden; insbesondere zur Reduzierung der umfangreichen statistischen, datenschutzrechtlichen und arbeitsrechtlichen Auskunfts- und Dokumentationspflichten?

DIE LINKE steht für effiziente, gute öffentliche Leistungen und Verfahren. "Unsinnige" Bürokratie braucht niemand! Allerdings sind Bürokratielasten für KMU und BürgerInnen oft nur das Ergebnis falscher Politik. Wer seit Jahrzehnten zu wenig Geld in die Hand nimmt und alles kürzt, wird nie eine moderne, digital vernetzte Verwaltung bekommen. Motivierte, gut ausgebildete und gut bezahlte MitarbeiterInnen fehlen genauso wie es keine effektive digitale Vernetzung in und zwischen den Behörden von Bund, Land und Kommunen gibt. Die öffentliche Hand muss nun diese Schäden teuer korrigieren. Mit einem kompletten Neustart und Umbau lässt sich sinnvoll feststellen, was unnötige Bürokratielasten tatsächlich sind und wie diese sich konsequent abbauen lassen.

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